Erwachsene

Billig-Shirt und Bio-Apfel: meine Shopping-Schizophrenie

7. März 2016

Das T-Shirt ein Schnäppchen, der Bio-Apfel Luxus

Ja – das ist es. Ein cooles T-Shirt für den Sohnemann von einer schwedischen Modekette. Ein cooles T-Shirt für nur 2,99€ in Größe 128. Da macht es dann auch nichts, wenn es beim Fussballtrainig verloren geht. War ja günstig. Also mit in die Tüte, auf dem Weg zur Kasse dann noch Socken im 5-er Pack für den Vierjährigen, einen Zweierpack Bodies für die Einjährige. In der Summe also 13 Einzelteile für knapp 15€. Ein Schnäppchen. Ich freue mich, dass Alles so billig war. Denn, seien wir mal ehrlich: Das T-Shirt wird im Sportsack verschwitzt vor sich hin gammeln, die Socken werden wegen stoischer Hausschuh-Verweigerung eh bald wieder durch sein und der nächste Noro-Virus sorgt dafür, dass die Bodies entsorgt werden müssen. Ist also Alles Wegwerf-Ware. Da ist es doch prima, dass es so günstig ist. Zumal die Kinder ja auch so schnell aus den Sachen rauswachsen…

Nach gelungenem Klamottenschnellauf geht es noch in den Bio-Supermarkt. Das muss schon sein. Nur das Beste aus der Region soll in die Körper der Kinder kommen. Die gute Bergmilch, der knackigen Bio-Apfel aus dem Umland, der Schinken vom glücklich geschlachteten bayerischem Schwein. Und das schlägt schnell mit 20€ zu Buche. Aber das ist es doch wert…

Auf dem Körper – in den Körper

Jedem gesunden Verstand ist klar, dass ein T-Shirt für weniger als drei Euro nicht den gleichen Qualitäts- und Moralanspruch erfüllen kann wie ein Kilo Äpfel für den doppelten Preis. Aber dennoch wird so gekauft. Von mir und von vielen anderen Müttern. Mir ist es offenbar wichtig, dass die Dinge, die in den Körper meiner Kinder gehen „reiner“ sind als die Dinge, die sie auf dem Körper tragen. Die sollen nur nett aussehen. Dafür dürfen die netten Anziehsachen auch aus Bangladesch kommen, dafür dürfen die Sachen auch von anderern Kindern produzierzt werden, die keine Ahnung von Bioäpfeln haben… Es ist verwerflich. Es ist ungerecht. Es ist schizophren.

H&M steht immer wieder wegen Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Kritik. Weltweit produzieren (laut Nachhaltigkeitsbericht) 1.652 Fabriken für H&M, knapp 400 davon sorgen für ein Gesamtvolumen von 52% der Waren. Die meisten davon befinden sich in Asien, einige wenige in der Türkei und in Nordafrika. Die generellen Bedinungen dort sind bekannt und beängstigend. Gleichzeitig engagiert sich das Unternehmen auch für das Heraufsetzen von Arbeitsstandards in seinen vertraglichen Zulieferfirmen. Doch bis zu wiederum deren Zulieferfirmen, bis zur Baumwollplantage oder in die Spinnerei reicht die Einflußnahme nicht aus. Entsprechend der skandinavischen Gesellschaftsoptimierungs-Kultur ist H&M zwar ein Modeketten-Vorreiter im Hinblick auf Menschenrechte, aber entsprechend einer absatzorientierten Unternehmenskultur steht der Profit im Vordergrund.

Nun alles in billig oder alles in bio?

Ich weiß also Bescheid, dass Jemand für mein Billig-Shirt draufbezahlt. Und dennoch kaufe ich es. Weil man weiß, dass auch die teuren Shirts aus asiatischen Kinderhänden kommen. Weil es nichts bringt, wenn die Produktionsstätten dort nicht mehr ausgelstet wären… Und weil meine Kinder eben wirklich viel verlieren und weil die Sachen einfach gut aussehen. Und ja, ich habe ein schlechtes Gewissen. Meine Chakra-Bilanz versuche ich durch das Bio-Zeug wieder auszugleichen. Was aber kann man besser machen? Bewusster weniger „Wegwerf-Klamotten“ einkaufen? Versuchen den Kindern den Wert von T-Shirts und Socken beizubringen und auf kindliche Verlust-Verbesserung hoffen? Oder ich gehe einen anderen Weg: Ich kasteie mich nur noch mit moralisch Verwerflichem, bestrafe mich mit Discounter-Essen und kaufe keinen Bio-Apfel mehr…

Ich muss nochmals nachdenken…

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