Erwachsene

Brandbrief an den arroganten Kellner

21. März 2018

Der bemitleidenswerte Kellner vs dem fordernden Gast?

Ohne Frage – Kellner haben es nicht leicht. Ihre Aufgabe besteht eben darin, eine Dienstleistung zu erfüllen – zu kellnern und sich im weitesten Sinne um den Gast zu kümmern. Und die Kompetenz dies zu tun, sollte vorhanden sein, das erwarte ich. So, wie ich vom Arzt erwarte eine Diagnose stellen zu können, vom Piloten mich an den Zielort zu fliegen zu können oder vom Schneider einen Hosensaum umnähen zu können. Und in meinen Augen gehört zur Kellnerkompetenz dafür zu sorgen, dass ich mich nicht unwohl fühle, dass ich das Bestellte bekomme und dass ich sogar gerne wiederkommen würde. So, und nun gibt es den Fakt, dass ich „als Studierte“ mit einem höheren Einkommen als der Durchschnittskellner mich nicht über ihn beschweren darf – er hat es ja per se schon so schwer, der arme Wurm, der mich bedienen muss. Hier die Fordernde, da der Bediener… Und ich tue es doch – ich beschwere mich!

Ist der Kellner etwa zu stylish zum Kellnern?

Vor einiger Zeit aß ich in einem sogenannten Münchner Szenelokal, ein Steak-Schuppen. Wir waren zu viert – drei von uns haben selbst schon in der Gastro gearbeitet. VIP-Bereich vom P1, Balkon im Wiesnzelt oder zu Bingo-Abenden in der Bongo-Bar im Kunstpark Ost. Wir kennen uns also aus… Die blasierte Tischzuweiserin zeigte uns den Vierer-Platz in der Ecke, neben der Tür. Vorteil: schnell draußen beim Rauchen. Nachteil: zugig-megakalt, da -11°C vor der Tür… Aber einer muss ja den Tisch nehmen. Als wir saßen, kam er: der für uns verantwortliche in-echt-bin-ich-viel-cooler-als-Ihr-Alle-Kellner. Dunkle Haare, tiefer hingegelter Seitenscheitel, Undercut, gepierced. Die Ärmel des leicht zu engen weißen Hemdes hochgekrempelt, sodass man seine Tattoos sehen kann. Die Säume der schwarze Hose hochgekrempelt, sodass man die haarlosen Unterschenkel sehen kann. Selbstverständlich Vollbart. Insgesamt ein typischer Vertreter des vorletzten Jahr so hippen Schwarmindividualismus. Er hätte auch Lifstyle-YouTuber, GQ-Redakteur oder Hairstylist sein können – aber er war eben an diesem Abend unser Kellner. Ein kleines, blickkontaktloses „Hi, kommt noch wer dazu?“ eröffnete seinerseits den Abend. Leicht verwirrt wo denn der Dazukömmling noch hätte Platz nehmen sollen, haben wir verneint. Schon bei der Wasserbestellung (ich frage wirklich IMMER, ob ich ein Stück Zitrone ins Wasserglas bekommen könnte…) war klar, dass wir keine Freunde mehr werden würden.

Wer kann arroganter sein? Der Kellner oder ich??

Wir waren besonders gute Gäste. Wir hofften durch extra Freundlichkeit seine Arroganz zu vertreiben. Es gelang uns nicht. Er war unfreundlich, pampig, einsilbig… Zu uns – ein paar Tische weiter saß ein ehemaliger FC Bayern-Spieler. Dort war unser Kellner oft – sehr oft. Für den Ex-FCB‘ler sichtbar unangenehm oft, denn der Kellner musste immer wieder ohne neuen Auftrag (oder Autogramm oder Selfie oder, oder…) abziehen. Ich war versucht, den alternden Spieler zu bitten, ob er beim nächsten Mal, wenn der Kellner ihn fragt ob er jetzt vielleicht doch noch einen Wunsch hätte dem Kellner zu sagen, sein größter Wunsch wäre, dass auch wir von ihm bedient werden…
Ich hatte zudem noch diverse andere Ideen:

  • beim Auftragen die Garstufe meines Filets doch nochmal zu ändern – in etwas roher…
  • mir einfach so mal einen Kaffeelöffel mir bringen zu lassen. Immer wieder.
  • nach ihm zu schnipsen
  • ihn auf alle Rechtschreibfehler in der Speisekarte hinzuweisen
  • die letzten Brotscheiben und ein paar übriggelassene Süßkartoffel-Pommes (was sonst?) einpacken zu lassen
  • mich schon im Vorfeld zu beschwerden, dass Amex nicht akzeptiert wird
  • meine vier Kinder doch aufzuwecken und ihnen hier eine Kugel Vanilleis zu gönnen
  • ihn zu fragen, warum er eigentlich als Kellner arbeitet

Mir wären sicher noch mehr Dinge eingefallen, aber ich ließ es auf Anraten meiner Begleitung. Als der Kellner aber am Schluss noch draufsetzte: „Ihr zahlt hoffentlich zusammen oder rechnet es selber aus… “ war bei dem Herrn an meiner Seite (Gastro-Profi!) endgültig Schluss… Er beschwerte sich. Und das zu Recht!

Benimmschule für Kellner und Gast

Mag sein, dass Herr Kellner einen schlechten Tag hatte. Wir aber waren dort, um einen guten Abend zu haben. Dafür haben wir nicht nur eine horrende Summe für einen Lappen Fleisch bezahlt, sondern auch noch Babysitter für insgesamt sieben Kinder organisiert und bezahlt. Um den Abend überhaupt stattfinden zu lassen, haben wir im Vorfeld mittels längerer Recherche den passenden Abend ausgesucht und uns mittels längerer Aufrüschaktion schick gemacht. Kurzum: wir haben uns vorbereitet und uns auf einen schönen und lustigen Abend gefreut. Das hat der Kellner uns teilweise vermiest – mit vollkommen ungerechtfertigter Arroganz. Mag sein, dass er im wahren Leben „etwas Anderes“ als Kellner ist, ich bin aber auch im wahren Leben etwas anderes als „nur Gast für einen Abend“. Letztendlich haben wir und Beide entschieden an diesem Abend diese Rollen einzunehmen. Er Kellner, ich Gast – und entsprechend sollten sich dann Beide benehmen…
Mein Ideenansatz: Liebe Wirte, nehmt bitte geschultes Servicepersonal oder schult es selbst! Denn ich bin ein geschulter Gast!

In folgenden Etablissements gibt es den Abend versüßende Kellner:

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