Freundin 1:
Meine Freundin wurde 40 Jahre alt. Kurz zuvor hatte ich erfahren, dass ich mit der Tochter schwanger bin. Freundin 1 und ich sahen uns nicht mehr so häufig wie früher seit sie in die Vorstadt gezogen ist. Dennoch war der Kontakt immer innig. Schon lange vor ihrem Geburtstag erklärte sie mir wie und wo das rauschende Fest stattfinden soll. Kurz vor ihrem Geburtstag kam dann aber – gar nichts. Keine Einladung, kein Anruf, keine Mail. Alles von meiner Seite blieb unbeantwortet. Drei Wochen nach ihrem 40. rief sie mich an. Ich lag in der Badewanne. Ich weiß es noch ganz genau. Ich sang HAPPY BIRTHDAY bevor ich „Hallo“ sagte. Ich monierte die nicht stattgefundene Feier. Sie kam nicht zu Wort. Als ich fertig war, sagte sie nur: „Betti, ich habe nicht gefeiert. Ich habe Krebs. Brustkrebs.“
Freundin 2:
Freundin 2 wurde zur Freundin, als sie einen alten Freund von mir erst datete, dann heiratete. Ein Traumpaar – keiner hätte es besser erwischen können. Sie redet fast so viel wie er. Er trinkt fast so viel wie sie. Die Beiden wollten eine Familie gründen. Doch es klappte nicht. Sie gaben sich in ärztliche Beratung. Dort wurde dann festgestellt: Ihr Körper kämpft. Sie hat Brustkrebs. Das K-Thema wandelte sich vom Kind zum Krebs.
Freundin 3:
Freundin 3 hatte gerade ihr zweites Baby zur Welt gebracht und war überglücklich. Alles klappte wunderbar mit den beiden Kleinen – der Mann war toll, die Familie komplett, das Leben perfekt. Dann war sie bei der Routinekontrolle bei ihrem Frauenarzt – sechs Monate nach Entbindung. Sie fühlte sich großartig. Schlagartig war es vorbei: Brustkrebs, der gestreut hat. In die Knochen. In die Lymphdrüsen.
Alle Augen auf Brustkrebs!
Der Oktober ist in jedem Jahr der „Breastcancer Awareness Month“. Dann berichtet jeder darüber. Dann werden Gebäude pink angestrahlt und Unternehmen fahren Spezialaktionen mit der rosafarbenen Schleife. Dann finden Vorträge zum Thema Brustkrebs statt. Ich durfte in diesem Jahr an einem spannenden Event von „Frauen verbinden“ und Estée Lauder teilnehmen. Ich war dabei, als die Messe München pink erleuchtet wurde. Ich war dabei als drei mutige Betroffene von ihrem Brustkrebs erzählten. Krebs, diese verfluchte Krankheit, die plötzlich überall zu sein scheint. Brustkrebs, diese beschissene Krankheit, bei der frau Haare verliert und verfrüht in die Menopause kommt. Oder vielleicht daran stirbt.
Das Bustkrebs-Bewusstsein
Die Heilungschancen sind heutzutage so gut wie nie zuvor. Im Bereich Onkologie wird extrem viel geforscht. Eben weil Krebs heutzutage so häufig ist wie nie zuvor. In unseren Breiten erkrankt jede 10. Frau an Brustkrebs. Daher muss das Thema Brustkrebs häufiger in unser Bewusstsein rücken. Nicht nur im Oktober. Nicht nur, wenn man das Alter erreicht hat, ab welchem die Krankenkasse die Untersuchungskosten trägt. Die Aussage „Ich würde es gar nicht wissen wollen, wenn ich Krebs hätte…“ sollte endgültig verboten werden. Denn es geht um das Bewusstsein. Bewusstsein, dass es Brustkrebs gibt, dass jeder ihn bekommen kann – und dass er eben auch heilbar ist. Aber nur, wenn man sich dessen bewusst ist, dass man ihn haben könnte…
Warum Brustkrebs? Warum ich?
Es gibt Risikofaktoren, die das Krebsrisiko befeuern. Es ist klar, dass eine gesunde Lebensweise, ein BMI im Normalbereich und viel Sport Gesundheitsrisiken senken. Doch keiner ist davor sicher. Meine Freundinnen waren alle jung, dünn, zwei waren Raucher, zwei hatten Kinder. Es gab keine bekannte familiäre Vorbelastung. Sie alle fühlten sich gesund. Freundin 1 erzählte, sie hätte zwei Wochen mit der Welt gehadert und sich gefragt „Warum ich?“ Dann stellte sie sich die Frage „Warum eigentlich ich nicht?“ Es gab keinen Grund dafür oder dagegen – es kann einfach Jede treffen. Und daher ist es so unglaublich wichtig: Lasst Euch untersuchen! Und nehmt Eure Mütter und Schwestern mit!
Das Überleben
Alle drei Freundinnen haben gemeinsam: SIE LEBEN NOCH!
Allen wurden die Brüste abgenommen. Alle verloren Haare. Alle gelten als geheilt und krebsfrei! Sie alle haben wieder Lebensfreude und Mut. Mit Freundin 2 habe ich bei Wein über variable Busengröße diskutiert. Mit Freundin 1 habe ich überlegt, ob es nicht lustiger wäre sich Tigeraugen statt Burstwarzen tättowieren zu lassen – größerer Überraschungseffekt… Sie können wieder lachen, sie können wieder genießen. Sie können wieder wirklich leben – nicht dahin leben, sondern wirklich leben. Bewusst. Sie können überleben. Alles.
Bei jeder Freundin war ich über die Diagnose geschockt. Ich fühlte mich hilflos, stammelte immer etwas von „Wenn die Sylvie van der Vaart das schafft, dann Du doch aus!“ Danach habe ich immer überlegt, wie die Diagnose wohl für die Betroffenen sein muss. Meine Freundinnen hatten allesamt hervorragende ärtzliche Unterstützung und volle Hilfe von Partnern, Familie und Freunden. Sie konnten offen darüber reden. Es war eben kein Tabu. Sie hatten eine Krankheit – keine selbstverschuldete Schwäche. Sie bekamen vermittelt, dass sie nicht allein sind, dass sie Hilfe bekommen. Es war schlimm – die Krankheit ist schlimm, es gibt nichts zu beschönigen. Und doch haben sie diese Krankheit besiegt.Es wurde rechtzeitig erkannt. Also: BE AWARE!
Und nun taste ich die Brust mal richtig ab…
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