Erwachsene

Das wundertollste Lieblingskind

28. Januar 2021
Drei Kinder, in der Mitte, das Lieblingskind mit dem größten Stück Torte

„Das beste Kind der Welt! Das ist mein Lieblingskind!“

In unserem Freundeskreis gibt es mannigfaltige Ausprägungen von Familienformen. Von alleinerziehenden Müttern bis zwei-Papis-eine-Mami-Patchwork, von einem Kind bis vier Kinder plus Hund. Und es gibt dementsprechend mannigfaltige Erziehungsstile. Von überschwänglichem Loben allein fürs richtige Atmen bis hin zur immerwährenden Benimmmaßregelung allein fürs falsche Atmen. Ein besonders Lob und eine Aufforderung an die Umstehendem zur Kindesbelobigung ereignete sich wie folgt. Ein dreieinhalbjähriges Mädchen lief dereinst windellos -da die Aufgabe „Trocken zu werden“ auf dem Programm stand- durch unseren Garten. Plötzlich blieb das Mädchen stehen und entledigte sich in mitten des fast englischen Rasens ihres gesamten Darm- und Blaseninhalts. Der Vater rief verzückt ob der einzigartigen Fähigkeit sich auch ohne Windeln erleichtern zu können meinen Söhnen zu: „ Jungs, schaut mal wie schön meine Tochter Bolli gemacht hat.“ Meine Söhne schauten etwas irritiert, denn eigentlich hat das Kind lediglich in unseren Garten gekackt – und das löste bei den Eltern meiner Söhne noch niemals Jubelschreie aus. Der Vater des Mädchens frohlockte weiter „Ich habe das schönste, beste und schlaueste Kind. Das ist mein absolutes Lieblingskind auf der ganzen Welt!!“ Die Irritation meiner Söhne wurde noch größer: darf man wirklich ein Lieblingskind haben???*

Wie sucht man sich seinen Liebling aus?

Laut einer Studie der Universität Cornell geben 65% der Mütter in 70% der Väter an, dass sie ein Lieblingskind haben. In der wunderbaren Serie Life in Pieces gesteht der Vater dreier Kinder auf die Frage seiner kleinen Tochter wer denn sein Lieblingskind sei wie aus der Pistole geschossen „That‘s easy. Tyler of course – he is my man!“
Ist das Lieblingskind demnach oftmals das Kind, das den gleichen Chrosmosomensatz hat? Mütter bevorzugen Mädchen, Väter Söhne – sofern diese Auswahl vorhanden ist? Ist es immer so, das man das lieber mag, was Einem selbst am Ähnlichsten ist? Favorisiert man denjenigen in dem man sich selbst erkennt? Oder macht einem genau der sogar mehr Angst. Von der Logik müsste man als Mutter doch das Kind am liebsten lieben, das so ist wie sein Vater. Denn den hat man sich doch dereinst ausgesucht zu lieben…

Wie ist es denn so als Elternfavorit?

Eine Studie der Universität Jena zeigt, dass die Kinder, die klar bevorzugt wurden im Erwachsenenalter mehr Probleme hatten, als die „anderen“. Ich glaube, fast Jeder hat ein seinem Familien- und/oder Bekanntenkreis ein offensichtliches ehemaliges Lieblingskind. Die früheren Elternfavoriten, die ich kenne, haben in der Tat kleine bis große Probleme, beziehungsweise sind wirklich —hmm, sagen wir mal schwächer— als die, die nicht immer gleich von Mami und Papi in den Himmel gelobt wurden. Eine früh angeeignetes Durchsetzungsvermögen der „anderen“, eine Fähigkeit sich auf sich selbst zu konzentrieren ohne immer den Eltern gefallen zu müssen/ zu wollen, Freiheit und Abnabelung von den Eltern scheint durchaus von Vorteil im Erwachsenenalter zu sein. Denn spätestens ab 40 wird es schwer (obgleich noch immer gerne getan!) die seniorigen Eltern auf seine Seite zu ziehen und sich hinter/ unter der mütterlichen Schürze zu verstecken mit der Ansage „Dann frag ich eben Mami, was die davon hält. Die wird Dir dann schon sagen, dass ICH Recht habe…“ Ist es also viel erfolgsversprechender eben NICHT das Lieblingskind der Eltern zu sein?

Wer ist nun mein Lieblingskind?

Meine vier Kinder teilen sich wie folgt auf: ein Mädchen (mein Chromosomensatz, also äußerst nah), zwei sehen aus wie die dazugehörigen zwei Väter (habe ich also “ausgesucht“), einer sieht aus wie meine Mutter (mir also auch sehr nah). Vom Wesen erkenne ich mich in niemandem. Ich bin weder besonders, besonders BESONDERS niedlich, noch ein sturer Bauernschädel. Ich bin kein mega-verpeilter Besserwisser und gerade auch nicht hormon-gestört und vorpubertär.**
Wie soll ich denn hier ein Lieblingskind aussuchen? Und dennoch habe ich eines. Während des nunmehr seit über tausend Stunden andauernden abermaligen Lockdowns kristallisierte sich das immer mehr heraus.

Mein Lieblingskind ist das, das mich gerade in Ruhe lässt. Ich kann voller Überzeugung und ohne schlechtem Gewissen sagen: JA, ich habe ein Lieblingskind – welches das ist, ändert sich minütlich…
Somit haben alle meine Kinder noch Chance auf eine erfolgreiche Zukunft. Und das finde ich gerecht.

* Zur Erklärung: Dieser Vater darf ein Lieblingskind haben. Denn er hat nur ein Kind – da ist es geradezu verpflichtend kein anderes Kind mehr zu lieben…

** Die anderen Attribute wie äußerst liebenswert, intelligent, wunderschön, hilfsbereit, Freude verbreitend, höflich, lustig, zuverlässig, gesellig u.v.m. haben meine Kinder auch, die hat aber in Elternaugen jedes Kind und in meinem Umfeld auch viele Erwachsen. Daher zählen diese schönen Eigenheiten nicht zur Findung von „wer-ist-mir-am-nächsten“…

Bild: iHeartRadio

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