Lautstark rieselt der Schnee
Wer die Vorweihnachtszeit aufgrund der besinnlichen Stimmung, aufgrund der Ruhe und des aufkommenden Familienbesuchs schätzt, hat wahrscheinlich keine Kinder. Oder äußerst wenige und äußerst wohlerzogene Töchter. Bei uns beginnt bereits am 1. Dezember der Streit um das Öffnen des liebevoll aus Holz gestalteten Familien-Advenstkalenders. Jeden Tag werden Mami Lied-Neuinterpretationen von Weihnachtsklassikern lautstark ins Ohr geträllert, wobei die Schulversionen eindeutig mit explicit gekennzeichnet werden sollten. Der Vierjährige wiederum textet aufgrund mangelnder Enlischkenntnisse „Jingle Bells“ flugs mal zu „Schinkenbär“ um. Fragen nach Engeln, Nikolaus und Christkind rattern vom kindlichen Gehirn ins elterliche Ohr. Und zusätzlich setzen sich die Klänge der Helene-Fischer-Weihnachts-CD (warum nur???) im Gehörgang fest. Wo ist sie nur, die stille Nacht?
Erpressung im Advent
Um etwas Ruhe in die weihnachtlichen vier Wände einzubringen, nutze ich perfide Methoden: ich drohe, erpresse und lüge. Denn ein großer Vorteil der Adventszeit ist die ungebremste Vorfreude auf Geschenke. Und hier ist das Kind in seinem Konsumwahn gefangen: Denn das Verlangen nach Geschenken verlangt das Bringen von Opfern. Und diese fordert Mami nun ein… In Form von absolutem Gehorsam: „Wenn Du nicht all Deine Hausaufgaben ordentlich erledigst, bringt das Christkind Dir keine Geschenke“. „Wenn Du nicht sofort Deinen Bruder loslässt, liegt für Dich nichts unter dem Christbaum“ Und die furchteinflösendste Drohung: „Wenn Du nicht brav bist, nimmt Dich der Krampus mit“. Ja, der Krampus, das teufelähnliche kettenreasselnde Zottelwesen, das den Nikolaus begleitet – zumindest im alpenländischen Raum. Der Krampus ist viel unheimlicher als im Vergleich fast farblose mittel- und nordeutsche Pendant Knecht Ruprecht. Der Krampus ist eine Schreckensgestalt, die unartige Kinder mitnimmt… Wohin auch immer.
Vor’m Krampus fürcht‘ sich jedes Kind, der schaut, wo schlimme Kinder sind. Fängt er eins von denen ein, dann steckt er’s in den Sack hinein. Kinder gebt gut acht, und wehe, wenn wer lacht… // Kinderlied v. Bernhard Fibich
Darf Mami den Krampus anrufen?
Kindern drohen, Kinder anlügen, Kinder erpressen? Ist das gestattet? Wahrscheinlich genauso wenig, wie sie zum Zähneputzen zu zwingen… Verkraftet die kindliche Seele die Boshaftigkeit der Krampus- und der Mutter-Gestalt? In unserem Fall: JA, erstaunlich gut. Denn während der Große das Prinzip des Kostümierens verstanden hat und altersgemäß die Existenz von Engeln und Co. anzweifelt, lässt sich der Mittlere gerne vom Krampus einfach mitnehmen… Denn wenn der Krampus alle Kinder, die so sind wie er, mitnimmt, muss es dort, wo er sie hinbringt ja mega-spaßig sein. Kinderlogik ist faszinierend…
Also ja, Mami darf den Krampus anrufen. Nur ist die Frage warum sie das tun sollte… Offensichtlich besiegte das kindlich-logische Denkvermögen die Angst vor dem Fratzenmann. Aber dennoch wirkt die Drohung, es machen zu können. Ich frage mich warum… Ist es am Ende soweit, dass die Kinder mich netterweise glauben lassen, dass sie glauben? Dass sie auch ohne reele Bedrohung einfach so folgen? Dass sie allein mir zu Liebe das Spiel mitspielen?
Oh, ich glaube ich ruf den Krampus an – er möge bitte seinem Kollegen ausrichten, dass meine Kinder in diesem Jahr sich extra viele Geschenke verdient haben…
Oder war genau das der Kinder-Plan? Ich bin verwirrt…
Münchner Momente, die zeigen wie Tradition gelebt wird: Der Münchner Krampuslauf findet am 13. und am 20. Dezember ab 15.00 Uhr rund um den Marienplatz statt und ist nichts für Weichei-Kinder.
Bildquelle: Süddeutsche Zeitung
6 Comments
Hahaha, herrlicher Artikel. Ich liebe deine Ehrlichkeit. Kindern drohen und anlügen, mit dem Christkind erpressen. So hab ich das noch gar nicht betrachtet. Als Kind fand ich das gemein, obwohl ich wusste, dass das Christkind aka meine Eltern immer gut zu mir sind. Als Mutter würd ich wohl auch zu solchen Mitteln greifen, wenn es hilft ;).
Die Krampusse sind faszinierend schaurige Wesen. In Salzburg würde ich mal von einem verprügelt, ok, es waren nur Hiebe auf den Oberschenkel und die taten weh. Dabei bin ich so lieb gewesen das ganze Jahr über. Vielleicht die Strafe, dass ich keine Kinder zum Mitbehmen dabei hatte :D.
Das kannn natürlich auch sein: Die Erwachsenen, die keine Kinder zum Hauen dabei haben, werden selbst geschlagen… Es gibt so viele Gründe Kinder zu haben!!!
Witzig und echt heftige Masken! Da bin ich schon froh, mit Mini nicht den Lauf mir angeschaut zu haben, wobei, Mini ist auch schon sechs. Kürzlich bekam sie übers Radio etwas vom Krampuslauf mit und fragte, was ein Krampus sei. Als ich ihr sagte, dass er böse – also nicht folgsame – Kinder holt, überlegte sie kurz und brachte zögerlich heraus: „Mama, ich bin aber oft nicht lieb. Holt er mich dann?“ – puh … da habe ich wohl einiges verbockt 🙁
Schöner Post! Bin über die Blogparade darauf gekommen. Habe dort gestern mitgemacht.
Alles Gute zu Weihnachten
Mini wird sich freuen zu hören, dass in diesem Jahr KEIN einziges Kind mitgenommen wurde! Vielen Dank für das Lob und ebenfalls FROHES FEST und alles Gute zu Weihnachten…
Meine Kinder kennen den Krampus zwar nicht, aber eventuell sollte ich denen mal eine Geschichte darüber erzählen. Ich selber kenne den Krampus nur aus Halloween Filmen oder aus unterschiedlcihen Romanen. Schaurig schaurig sieht der Krampus auf jeden fall schon aus. Da werden die Kinder bestimmt schnell artig.
Der Krampus aus den Filmen ist nicht so lieb wie der ganz echte Krampus… Je nach kindlichem Ungehorsam kommt eben der aus dem Film oder der ganz Echte…