Erwachsene

Peppa Wutz – das Schwein und ich

15. Januar 2020
Peppa Wutz spielt in einer Pfütze mit ihrem Teddy. Alles ist schmutzig.

Warum Peppa Wutz bei uns sein darf…

Meine Kinder dürfen kaum fernsehen. Denn ich HASSE die Werbung. Vielmehr hasse ich den Effekt der Werbung (Hut ab Ihr Agenturen dieser Welt!) auf die noch weitestgehend unverdorbenen Hirne meiner Kleinen. SuperRTLs Toggolino-Kuh plus die im zehn-Minuten-Takt eingespielte Werbung sind in meiner Welt ähnlich schlimm wie die dschungelcampierende Toni Tripperitis plus der Wendler. Blanker Mord am Frontallappen! Also kein lineares Fernsehen für die von mir produzierten Gehirne, wenn ich es vermeiden kann. Allerdings muss Mami auch mal kurz alleine -zum Beispiel- kochen, und dann darf ein ausgewählter Kinderanteil etwas Kurzes, Ausgewähltes streamen. Ohne Werbung. Ohne Wendler. Aber dennoch schlimm. Ich gebe zu: ganz selten bekommt ein vorlautes Schwein Einzug bei uns – ganz selten muss Peppa Wutz die Tochter hüten…

Wer will denn eine kleine Peppa Wutz zu Hause?

Die Fünfjährige erfreut sich trotz ihres schon fortgeschrittenen Alters noch immer allein an der Titelmelodie „Peeeeeeeeeepa Wutz“. Ich bin noch immer erstaunt über diese Freude. Klar, es ist viel pink. Die Geschichten sind schweineleicht zu verstehen. Der Anspruch ist gering. Und: Peppa Wutz ist politisch/ gesellschaftlich/ emotional unkorrekt. Das gefällt meinem Anarchiekind. Peppa ist der Gegenentwurf zu allen pädagogisch-wertvollen Trickfiguren. Das kleine Schwein ist die Vorkämpferin in der „Scheiß‘ auf Korrektheit“-Bewegung der Kindergarten-Infanterie. Langfristige Auswirkungen ihres Handelns sind ihr vollkommen egal. Sie ist vier Jahre alt. Sie schert sich um Nichts.
Die momentane Diskussion über die erzieherischen Gefahren die von der Serie ausgehen, läßt vermuten, dass Peppas Ungezwungenheit dramatische Auswirkungen auf die künftige Gesellschaft haben könnte. Was könnten wohl die Bemerkungen eines Schweinemädchens anrichten? Den Verlust jeglichen ungetrübten Miteinander?

Beispielhafte Unkorrektheiten und mögliche Konsequenzen:

  1. Peppa Wutz sagt, der Vater sei zu fett. Der fette Vater bleibt wegen seines oftmals kommentierten „dicken Bauch“ in der Türe des Baumhauses hängen oder spritzt das gesamte (!!!) Wasser beim Hineinspringen aus dem Pool. Peppa erklärt den Ausdruck „Papis dicker Bauch“ zum geheimen Zugangscode zu ihrem Versteck. Der Vater leidet des Nächtens an den Folgen des kindlichen Body-Shaming und quält sich mit der Frage, wann die ersten Koronargefäße verstopfen… Er überträgt seinen Frust auf andere Dicke und wird als erstes Schwein wegen beleidigendem Mobbings zu einer Haftstrafe verurteilt, da er den Vater von Emily Elefant auch als dick bezeichnet hat.
  2. Peppa Wutz sagt der Vater sei auch dumm. Da sucht der Vater seine Brille und, ach das Dummerchen, hat sie auf dem Kopf. Da versucht der Vater ein Bild aufzuhängen und ach, er fällt von der Leiter und die Wand ist auch noch kaputt… Der Vater erntet nichts als Spott. Er hadert, dass seine geliebte Tochter ihn als dick und dumm sieht. Sein Glaube an kindliche Unschuld, an bedingungslose Liebe in einer Familie ist gebrochen. Er wird verhärmt und überlegt Peppas Mutter zu verlassen, da diese nichts tut für seine innerhäusliche Rehabilitation. Mit Antritt seiner Haftstrafe reicht der Vater die Scheidung ein. Fortan müssen die Wutzens auf Staatskosten leben.
  3. Peppa Wutz ist dreckig. Denn das kleine Schweinemädchen springt in JEDE Pfütze. Dabei ist ihr es völlig egal, dass Mutti (Achtung – hier werden auch noch veraltete Geschlechterrollen verbreitet!) nun wieder waschen muss, dabei viel Wasser verbraucht wird und am Ende der Hersteller des Waschpulvers noch nicht einmal klimaneutral produziert. Der immerfort notwendige Kauf des Waschmittels erfolgt -ob der benötigten Menge- mit einem Dieselauto. Das Suhlbedürfnis des kleinen Schweines sorgt dafür, dass der ökologische Fussabdruck der Familie Wutz ins Astronomische wächst, der Klimawandel nimmt Fahrt auf, es geht schneller dahin als gedacht.
  4. Peppa Wutz findet ihren kleinen Bruder nervig. Das größere Schwesterschwein lässt ihren Schorsch-Bruder nicht immer mitspielen, wenn sie Besuch ihrer Freundin hat. Dann sagt sie „Du bist noch zu klein!“ Dieser Ausdruck der mangelnden Spiel-Solidarität der Vierjährigen führt dazu, dass Schorsch seine dadurch antrainierten Minderwertigkeitsgefühle nur wettmachen kann, indem er sich künftig als Bully auf dem Pausenhof geriert. Somit kann er Allen zeigen: Ich bin NICHT zu klein… Als Folge fliegt Schorsch von allen Schulen, hat keine Chance Geld zu verdienen und lebt auf der Straße.
  5. Peppa Wutz erklärt ihrer besten Freundin sie sei nicht mehr ihre beste Freundin. Peppa projiziert eigene Gefühlsschwankungen auf ihre Freundin und betraft sie mit Nicht-Zusammenspielen – ungeahnt der psychologischen Folgen für die offenbar emotional labile Susi Schaf. Susi Schaf ist überfordert von diesem Auf und Ab, zieht sich zurück und blökt fortan als blauhaargefärbtes Emo-Schäfchen mit Weltschmerz.

Ich hätte noch ein paar weitere Ideen zu den derzeit Peppa Wutz entgegengebrachten Vorwürfen, wie dass sie ungern verliert, in einem unrealistisch stereotypen Einfamilienhaus wohnt oder dass sie im Generellen Gangster-Attitüden an den Tag legen würde. In China wurden aus letzterem Grunde rund 30.000 Videos von der App Douyin verbannt und der #peppawutz gelöscht. Die Angst vor dem Schwein greift um sich. Auch hier wird lebhaft diskutiert, warum das Schwein so gefährlich ist. Wohlgemerkt: man findet das Cartoon-Schweinemädchen nicht nervig, sondern GEFÄHRLICH…

Welche Aufgabe hat das Schwein?

Ich halt das Schwein für ein normales Schwein. Ich halte das Schwein sogar für eine normale Vierjährige. Möglicherweise hat sich der Erfinder Neville Ashley etwas dabei gedacht, dass er Peppa als Schwein und nicht als Eichhörnchen, als Vierjährige und nicht als Elfjährige gezeichnet hat. Peppa Wutz soll nicht erziehen, das können der neunmalkluge Caillou und die nervige Conni übernehmen. Peppa Wutz soll unterhalten.
Es ist nicht des Schweines Schuld, wenn ein Kind seinen eigenen Vater mit dick und dumm tituliert. Es ist die Aufgabe der Eltern zu erklären, dass das Kind das nicht darf. Ein freches Kind damit zu rechtfertigen, dass es Peppa Wutz gesehen hat -was offenbar von den Eltern erlaubt wurde- spricht für eine gewisse Einfachheit, nicht allzu hohen Erziehungsqualitäten und einer falschen Aufgabenverteilung. Die Schuld des kindlichen Fehlverhaltens beim Fernseher, Tablet oder Smartphone zu suchen, ist naiv. Das wäre ja so als würde ich sagen: ich bin dereinst in Mathe sitzen geblieben, weil Pipi Langstrumpf mir in der Titelmelodie das falsche Rechnen beigebracht hat…

Lieber Peppa als Conni – am besten die MAMI*

Die Diskussion über die gesellschaftsgefährdenden Auswirkungen von Peppa ist für mich befremdlich. Soll ein Cartoon dafür sorgen, dass kleine Kinder sich nicht dreckig machen? Sich eventueller psychologischer Auswirkungen von „Du bist jetzt nicht mehr meine Freundin!“ bewußt werden? Wie darf sich denn eine korrekte vierjähriges Schweinchen verhalten?
Ich möchte keine Conni, keinen Caillou im Haus! Ich war auch schon immer mehr Harry als William. Also bleibt es Peppa Wutz weiterhin erlaubt, hin und wieder die Fünfjährige zu erfreuen – und mir weiterhin vorbehalten, mich um das richtige Benehmen der Fünfjährigen zu kümmern. Und das tue ich sehr gerne – dafür brauche ich keine Unterstützung von Zeichentrickfiguren…

*natürlich auch Papis(s), Omis, Opis, Brüder, Schwestern… Da bin ich mal ganz korrekt…

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