Kinder

„Mami ich bin jetzt Reseller und brauch Geld für den Drop!“ Der Teenager und sein Geschäftsmodell…

1. August 2022
Ein Meer an drop und special edition sneakers. Das Herz des Resellers schlägt höher.

Der Unterschied zwischen einem Drop und einem Drops…

Man hörte schon des Öfteren, dass sich der Jugendliche stark verändert. Wo einst glatte Haus, nun Stoppel; wo einst reine Haut, nun Mitesser; wo einst glockengleicher Klang, nun Reibeisen. Auch ändert sich der Geschmack, das Peinlichkeitsempfinden und eben die Sprache. Nicht, dass mein Teenie mit Schimpfwörtern um sich wirft, nein – er spricht eine Sprache, die nur er und Seinesgleichen zu verstehen scheinen. Sein „Ich brauche Geld für den Drop!“ beantwortete ich fälschlicherweise mit „So viel Zucker macht nur noch mehr Pickel!“ und erntete verwirrte Blicke. Denn offenbar wollte er keine Süßigkeiten (Drops) kaufen, sondern einen Nike Air Dunk Cherry (special drop!). Und offenbar war es auch nicht mit ein paar Euro getan, sondern das Kind wollte viele viele…

Toll – das Kind will verstehen wie Marktwirtschaft funktioniert!

Das Kind möchte also irgendwelche besonderen Schuhe kaufen, um sie dann gewinnbringend weiter zu verkaufen! Das klingt ja schon mal ganz gut. Und offenbar ist das ein gern gewähltes Geschäftsmodell bei Menschen unter 16 Jahren. Während wir dereinst vollkommen www-los unser Taschengeld mit Babysitten, Nachhilfe oder Zeitungsaustragen verbesserten, verdient die Jugend von heute mit special drops über insta… Nach kurzer Rücksprache mit dem Kindsvater beschloß eben dieser dem Kind seinen Einsteig in die Wirtschaft zu ermöglichen. Und was war das Kind glücklich – konnte es sich dank eines raffles noch ein Paar Nike Cherry blablabla in Größe 44,5 sichern. So – die Ware war nun „im Lager“ – also bei mir zu Hause. Nun galt es den meistbietenden Käufer zu finden…

Der drop muss ja nun gesehen werden…

Hier kam schon der erste Fallstrick bei Kind 1. Während offenbar seine Reseller-Vorbilder keinerlei Restriktionen im Hinblick auf Internet-Nutzung haben, verfügte das Kind weder über einen insta-account noch über ein Konto bei eBay, dafür aber über eine streng geregelte Bildschirmzeit. Schnell war die Lösung in seinen Augen gefunden: „Mami, Du musst das jetzt posten, weil sonst weiß ja keiner das ich das habe…!“ Ach…
Einsatz der immerwährende lehrenden Mutter „Man muss sich im Vorfeld Gedanken über den Absatz machen“.
Kind: „Die haben doch keine Absätze. das sind S N E A K E R !“ Ok – noch viel zu lernen.
Ich: „Wie dachtest Du, dass Du das verkaufen kannst?“
Er: „Wichtig war, dass ich die Schuhe erst überhaupt bekomme…!“
Okay. Da waren wir nun mit Warenbestand. Da das Kind aber äußerst gewieft ist, fragte er sofort bei einem schulbefreundeten Reseller nach, für welchen Preis er denn die Schuhe übernehmen könnte, um sie auf seinem Kanal zu vertreiben. Eine Verkaufsmöglichkeit war also secured. Doch da war die Marge dann zu gering. Schließlich reden wir von einem special drop, Freunde!

Nach dem drop ist vor dem nächsten drop

Die Aussicht auf Erfolg mit mäßigem Aufwand, die Freude auf der Jagd nach drops und special editions war deutlich größer als das Interesse sich mit der warteten Ware zu Hause zu beschäftigen. Noch waren die Cherrys in seinem Kinderzimmer. Doch schon wurde mit neuen, einzigartigen und extrem coolen Dingen spekuliert. Mehr Spaß als es zu verkaufen, macht es schließlich es zu kaufen. Das verführte das Kind zu folgender Aussage: „Wenn ich in den Sommerferien in Paris bin, gehe ich mit Omi in diese eine Einkaufsstraße, wo es die coolen Läden gibt. Weil ich kenn‘ nämlich eine Marke, die ist echt krass cool – die will nun jeder haben. Und die heißt… (Anmerkung: so und nun halten sich bitte all diejenigen fest, die die Neunziger voll mitgemacht haben!), …also die heißt CHIEMSEE!!!“
Ja, ich wollte dem Kind nicht seinen Spaß nehmen, musste ihm aber doch erklären, dass es weder in Paris EINE Einkaufsstraße gibt, noch dass man in Paris CHIEMSEE kaufen sollte, wenn in 30 Kilometer Entfernung zum Heimatort das CHIEMSEE-Outlet* ist. Und dass die eigene Mutter noch immer ein Original CHIEMSEE-Trägershirt besitzt…

Mit Chiemsee ins +/- (wer versteht’s?)

Zurück zu den Cherry drop. Nachdem der Vater seinen eigenen Account für die Verbreitung der Warenverfügbarkeit freigegeben hat und der Teenager nochmals mit seinem Zwischenhändler gesprochen hat, war der Deal eingefädelt… Der 44,5 Cherry drop wurde gewinnbringend verkauft. Da aber noch das box-in-box-Versandsystem (habe ich neu gelernt!) gewünscht wurde, war der Reingewinn doch weniger als zu erst erhofft. Aber es war ein Plus. Der Lerneffekt ist da, das Interesse das Geschäft zu professionalisieren auch. Die Jagd nach weiteren drops und limited editions ist eröffnet. Denn Mainstream ist out!! Und CHIEMSEE ist in.
Verrückte Zeiten…

*Und JA – ich weiß, das im Outlet nicht die neusten drops sind, sondern Vorjahres (Jahrzehnt)-Ware verballert wird…

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