Erwachsene

Warum der Mann -trotz Ehefrau- schneller als alleinerziehend gilt

4. Oktober 2021
Ein Vater steht mit seinen beiden Kindern an der Eisdiele...

Vorstellung beim Elternabend „Hallo, ich bin alleinerziehend…“

Es war wieder einmal Elternabend. Der vierte in diesem Jahr. Nachdem der Direktor die Corona-Maßnahmen und der Förderverein die Spendenmöglichkeiten präsentiert haben, wurden die anwesenden Eltern gebeten sich kurz vorzustellen. Natürlich nur zur Überprüfung wessen Eltern sich denn bemüht haben, einen Abend der Schule zu schenken… Wie immer war der Anfang etwas holprig, aber nach der fünften Mutter kam man in den Flow… Dann war einer der wenigen Väter dran. Ich kenne ihn sehr gut, denn Kind 2 war schon mit dessem Sohn im Kindergarten und in der Grundschule. Ich kenne die ganze Familie. Nachdem er also seinen Namen und den Namen seines Sohnes genannt hat, schoß er ein „Und ich bin alleinerziehend. Meine Frau ist häufig beruflich unterwegs.“ hinterher…

Ab wann ist man denn alleinerziehend?

Ich war etwas verwundert. Ich weiß, dass seine Frau berufsbedingt von Montag Vormittag bis Donnerstag Abend oftmals nicht in München ist. Aber drei Tage der Woche ist sie eben IN München. Zudem ist das gesamte Arrangement zeitlich begrenzt auf ein Jahr. Also alles halb so wild dachte ich mir… Als ich ihn später fragte, warum er sagt er sei alleinerziehend antwortete er „Weil ich ja fast Alles allein mache“. Er würde schließlich -neben seinem Halbtagsjob- sich um die Kinder kümmern, ihnen Brotzeit schmieren, die Hausaufgaben kontrollieren und sie ins Bett bringen. Jeden Tag. Jeden Abend. Von Montag bis Donnerstag… Das würde ihn schon ziemlich alleinerziehend machen. Die offizielle Definition von alleinerziehend ist eine „Person, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenlebt und allein für deren Pflege und Erziehung sorgt“. In just diesem Fall also eine etwas gewagte Aussage. Sage ich.

Aber ich mache doch Alles, wenn sie nicht da ist…

Abermals wurde durch den alleinerziehenden Vater betont, er würde mehr als die Hälfte der Woche organisieren, putzen, waschen, kochen, Fahrdienste übernehmen, versorgen, betreuen. Ach – willkommen in meiner Welt. Willkommen in der Welt einer fast jeden Mutter…
Ist es so, dass die meisten Mütter eigentlich alleinerziehend sind, obwohl sie MIT ihrem Partner zusammenleben? Würde eine Mutter sich auch alleinerziehend nennen, wenn ihr Partner projektbezogen in einer anderen Stadt arbeitet? Oder wenn ihr Partner einen Job ausübt, der erfordert vor 8.00h aus dem Haus zu gehen und nach 20.00h nach Hause zu kommen? Wie viele Alleinerziehende mit Ehemann würde es dann geben? Bin ich etwa auch alleinerziehend trotz Mann an meiner Seite (NOPE!) ? Oder würde das noch immer unter „normal“, weil klassische Rollenverteilung, fallen?

Ist er hochmodern und ich verbohrt?

Vielleicht öffnet der alleinerziehende Vater so manche Türen Richtung Zukunft. Wahrscheinlich ist es gar nicht vermessen wenn er sagt er sei alleinerziehend. Wenn er allein am Dienstag erzieht, ist er alleinerziehend. Weil seine Frau am Dienstag nicht da ist, erzieht er allein. Er sagt das mit großem Stolz – weil er weiß, er kann es. Was oftmals wie ein Stigmata einer gescheiterten Beziehung klingt, klingt bei ihm wie eine außerordentliche Leistung. Nur, weil er ein Mann ist? Ich erschrecke mich: Bin ich noch gefangen in altertümliche Definitionen und finde er darf sich nicht so nennen, nur weil er ab und an allein für die Kinder aufkommt? Ist er ein Beispiel eines hochmodernen Mannes der mit stolzer Überzeugung betont, dass er die in meiner Welt eigentlichen Aufgaben der Frau übernommen hat? Oh Gott – hat er mich ertappt, dass ich archaische Denkmuster habe? Oder habe ich ihn ertappt, dass er mit dem Wort alleinerziehend klarstellen möchte, dass es etwas besonderes ist was er macht? Sieht so etwa die Gleichberechtigung aus?

Ich bin -einmal mehr- verwirrt. Zum wiederholten Mal wird mir klar: Ich mag keine Elternabende…

You Might Also Like

1 Comment

  • Reply Vornamr, Nachname 24. September 2024 at 12:45 pm

    Gut beobachtet. Männer haben es in allem viel leichter als die Frauen. Kann ich als Mann bestätigen. Es ist einfach unfair, wie Männer so durchs Leben flutschen, die in allem
    Benachteiligten Frauen aber immer noch um ihre Rechte kämpfen müssen.
    Ich möchte mich hier stellvertretend für alle Männer für unser Mannsein entschuldigen.

  • Leave a Reply

    Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.