HAPPY BIRTHDAY LOCKDOWN! Was man mit einem Jahr schon bewirken kann…
Am 15. März 2020 wurden in Bayern die Schulen geschlossen. Es ging in den Lockdown. Da meine Mutter dereinst in den Iden des Märzes geboren wurde, feierten wir vor genau einem Jahr unseren ersten Lockdown-Geburtstag – nicht ahnend, dass noch so viele weitere folgen werden… Nun ist das Alles zwölf Monate her und wir feierten am Wochenende den ersten Geburtstag VOM Lockdown – wir zum Glück ohne seine Begleiterin Corona. Wie man es bei einem einjährigen Geburtstag zu tun pflegt, haben wir aufgelistet, was dazugelernt wurde. Diesmal jedoch nicht vom „Geburtstagskind“, sondern von denen, die ihn aufgenommen haben: neue Produkte wurden entwickelt, Verhaltensmuster wurden neu definiert, Gespräche neu geführt, Abschiedsfomeln neu auferlegt, Schulunterricht neu gestaltet und viele neue Wörter erfunden… Was hat der erst einjährige Lockdown schon für uns getan! Faszinierend…
“Kann Du Dich noch erinnern wie klein es war…?“
Wuhan und die angeblich Fledermaus-essenden Chinesen schienen so weit weg. Dann kamen sie näher, es entstand der Lockdown. Es war ein bisschen aufregend: so neu, so ereignisreich – so unabsehbar… Man HÄTTE denken können, es bleibt etwas Kleineres. Zu Beginn war es fast ein bisschen schön, dass man als Familie so eng, so immer, zusammengeschlossen wurde. Doch spätestens ab dem Zeitpunkt als ALLE von der „neuen Normalität“ sprachen, wurde es weniger schön… Es wurde gehamstert und gehortet. Kinder wurden isoliert, Erwachsene sollten sich selbst von Allem fernhalten. Der Lockdown und seine Begleiter wurden immer größer und bedrohlicher.
Die anfängliche Solidarität mit den Alten kippte in ein offenes Generationen-Schuldzuweisungs-Menetekel. Auf die „unvernünftige, regelbrechende Jugend, die selbst jetzt noch unterwegs ist“ wird geschimpft und die sich eh nicht draußen bewegenden Älteren werden geimpft. Während ich noch immer überlege noch zu welchem Lager ich mich dazu zählen soll, wird der Lockdown immer blöder… Und ich werde immer schlauer!
L‘école c‘est moi! Und das bleibt erst mal so…
Für mich kann ich festhalten, dass ich in wohl keinem Jahr so viel gelernt habe, wie im letzten… Auch dass ich die Aufgaben einer Deutsch-, Mathe-, Englisch- Geschichts-, Erdkundelehrerin für Unterstufe/ Realschule, auch die einer Grundschullehrerin für vierte Klasse, sowie die einer Vorschullehrerin und einer Kindergärtnerin GLEICHZEITIG und einfach auch mal NEBENBEI übernehmen kann. Ich kann wieder unechte Brüche dividieren und sechsziffrige Zahlen ganz ohne Taschenrechner durch vierziffrige Zahlen teilen. Nun weiß ich wie sich der Borkenkäfer fortpflanzt und was das boreale Klima ist. Dank des Lockdowns weiß ich, dass ich eine 1A-Leherin bin und meine Kinder besser Zensuren haben, als wenn Familienfremde sie belehren. Also werde ich in Zukunft die mir vom Staat zuerkannte Pädagogen-Fähigkeit so nutzen, dass ICH entscheide, ob das Kind in der Schule, online durch die Schule oder von mir unterrichtet wird – und in welchem Land mein Kind dann online seinem Unterricht folgt. Dort wo wir Eltern nebenher mit Meeresrauschen entspannen können – und sicher nicht in einer borealen Klimazone! (Zum Glück weiß ich das nun…)
Vielbegabt dank Lockdown.
Ich habe gelernt, dass Korkenknallen auch via ZOOM funktioniert, ich mir Amsterdam ins Wohnzimmer holen kann und dass es geht rund 90 Prozent der Zeit ungeschminkt und mit Hosen, die nur dank Gummibund halten, umherzulaufen. Ich habe gelernt, dass Karl Lagerfeld unrecht hatte!! Nun weiß ich, wie man Kindern dank Effilierschere absehbaren Schöpfe verleiht, wie man Bananenbrot bäckt, wie man Kerzen färbt, wie man sich Wattestäbchen in die Nase steckt.
Zu all den neuen Fähigkeiten habe ich auch meinen Wortschatz enorm erweitert. Impfstraße, Lockdown-cockdown, Maskne, AHA+C+L-Regel, Online-Gottesdienst oder Selbstquarantäne – alles neu gelernt. Auch, dass wahre Freunde wissen, wer wirklich K1-Person sein muss, wie weit 150cm sind, und dass es am Ende doch jeden Abend dunkel und jeden Morgen wieder hell wird…
Wie alt kann ein Lockdown werden?
Seit gestern Abend wissen wir, er wird auf jeden Fall über dreizehn Monate alt werden. Vielleicht wird er sich zu einem Cher-Phänomen entwickeln und nur gewisse Teile werden älter. Dann nennt man ihn „Teil-Lockdown„ oder “Lockdown Light“. Ich denke er ist auf die Welt gekommen, um zu bleiben. Vielleicht reist er auch in andere Länder weiter, vielleicht sucht auch er das Meeresrauschen. Oder zumindest er geht ins boreale Klima…
Ich bleibe weiterhin hochgradig optimistisch für mich und uns im Lockdown, denn wenn ich Alles schlecht rede, wird es auch nicht besser. Also sage ich: Alles wird gut.
Bis dahin lerne ich einfach nochmal ein bisschen Bio sechste Klasse… Da ist wenigstens ein bisschen etwas Spaßiges dabei!
HAPPY BIRTHDAY LOCKDOWN!
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